Maria Brinch

Maria Brinch faltet die Welt in ihre Kunst. Jede Falte eröffnet die Möglichkeit, Erinnerungen, Erfahrungen und Verbindungen neu zu erkunden und zu gestalten. Dieses spielerische Neuordnen von Stoff und Form steht im Zentrum ihres Schaffens und ermöglicht ihr, die Welt auf ganz eigene Weise zu interpretieren.

PHOTOS BY JOHANNE NYBORG

Ein tief verwurzeltes Interesse an Handwerkstraditionen und ihre zahlreichen Reisen nach Myanmar sind zwei zentrale Elemente in Marias Arbeit. Spezialisiert auf Wandteppiche, erschafft sie textile Kunstwerke, die aus ihren Fotografien entstehen – verfremdet und überlagert mit Tinte und Farbe. Zwar arbeitet sie auf unterschiedlichen Materialien, doch ihre bevorzugte Wahl ist Wolle. „Sie ist einfach wunderbar, ihr nahe zu sein. Sie nimmt Farbe auf eine ganz eigene Weise auf, fast so, als würde sie sie einladen. Das natürliche Öl verleiht ihr zudem einen sanften Glanz. Und sie möchte gefaltet werden – sie widersetzt sich nicht, sondern fügt sich ganz organisch.“

Auf einer ihrer Reisen nach Myanmar begegnete Maria einer Frau, die ihr etwas zeigte, das sie nie vergessen würde. Die Frau nahm ihre frisch gewaschenen, noch feuchten Kleider und hängte sie auf dem Weg zur Arbeit an verschiedenen Orten auf, ließ sie dort trocknen und sammelte sie auf dem Heimweg wieder ein, um sie zu falten. Diese Szene hat sich tief in Marias Erinnerung eingeprägt – ein Moment, zu dem sie immer wieder zurückkehrt.„Dieser Akt hat mich zutiefst berührt – sich so selbstverständlich Raum im öffentlichen Raum zu nehmen. Es war das Schönste, was ich je gesehen habe. Für mich wurden die Kleidungsstücke zu Denkmälern, zu Symbolen für die Präsenz eines Volkes, das unter Unterdrückung und staatlicher Gewalt leidet. Und doch war es eine stille, textile Sprache, durch die die Menschen physisch Teil der Stadt wurden und sich ihren Platz schufen.“

"Etwas so Simples wie das Falten eines Handtuchs kann mir Gänsehaut bereiten. In diesem Moment habe ich gerade mehr Raum geschaffen – Raum für neue Ideen, Gefühle oder Pläne."

Das Falten kann auch ganz alltägliche Formen annehmen – doch das Gefühl, das es in Maria auslöst, ist alles andere als gewöhnlich. „Etwas so Simples wie das Falten eines Handtuchs kann mir Gänsehaut bereiten. In diesem Moment habe ich gerade mehr Raum geschaffen – Raum für neue Ideen, Gefühle oder Pläne. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich damit nicht allein bin. Unzählige andere Frauen falten zur selben Zeit irgendwo auf der Welt ebenfalls Handtücher in ihren Badezimmern. Dieses Bewusstsein gibt mir ein tiefes Gefühl von Verbundenheit, von Fürsorge – und vielleicht auch von Hoffnung. Nicht in einem großen, göttlichen Sinne, sondern eher als eine Art Motivation. Es erinnert mich daran, dass ich Teil von etwas Größerem bin – als Frau und als Mensch. Wir alle tun diese kleinen, bedeutungsvollen Dinge gemeinsam. Ich glaube, das habe ich vor allem durch das Handwerk gelernt. Durch das Arbeiten mit anderen an Orten, an denen wir nicht dieselbe Sprache sprechen, uns aber durch unsere Hände verständigen. Ich kann weben, ätzen und Seidendrucke anfertigen – doch im Kern geht es immer um die Werte, die ich durch das Handwerk verinnerlicht habe, um die Beziehungen, die daraus entstehen.“

Kunst und Kultur waren ein natürlicher Bestandteil von Marias Alltag, seit sie denken kann. Sie wuchs in einem Umfeld auf, in dem künstlerischer Ausdruck nicht nur akzeptiert, sondern gefördert wurde – eine Grundlage, die ihr den Weg in eine professionelle Laufbahn ebnete. Der Drang zu schaffen und zu entdecken begleitet sie seit ihrer Kindheit. „Als ich jung war, noch in der Schule, kam ich oft zu spät zu Partys, weil ich in meinem Zimmer malte. Ich war so vertieft, dass ich völlig das Zeitgefühl verlor.“

Für Marias fünfköpfige Familie ist Kunst nicht nur Dekoration, sondern auch ein funktionaler Bestandteil ihres Alltags. Keramiken dienen als Sockel für die Freitagstacos, textile Wandteppiche werden zu Decken für die Kinder. Ihr Zuhause haben sie in einer charmanten Wohnung in Adamstuen, Oslo, gefunden – ein warmes, einladendes Refugium mit gelb gestrichenen Wänden und Blick auf einen grünen Hinterhof mit mächtigen Eichen. Inspiriert von traditionellen norwegischen Berghütten haben sie Elemente wie eine Holzküche mit Oberschränken und Wandteppichen integriert und so einen ruhigen Rückzugsort geschaffen, fernab vom Trubel der Stadt. Im Wohnzimmer finden sich Keramikskulpturen und Kunst in verschiedensten Formen – viele davon Geschenke von Freunden, mit denen Maria Werke tauscht. Sie hat kein Problem damit, mit ihrer eigenen Kunst zu leben und bringt immer wieder Wandteppiche aus dem Atelier mit nach Hause. „Wenn ich ein Fenster oder eine Tür öffne, bewegen sie sich leicht – als würden sie einen begrüßen. Sie gehören zum Raum.“

Inspiriert von traditionellen norwegischen Berghütten haben sie Elemente wie eine Holzküche mit Oberschränken und Wandteppichen integriert und so einen ruhigen Rückzugsort geschaffen, fernab vom Trubel der Stadt. Im Wohnzimmer finden sich Keramikskulpturen und Kunst in verschiedensten Formen – viele davon Geschenke von Freunden, mit denen Maria Werke tauscht. Sie hat kein Problem damit, mit ihrer eigenen Kunst zu leben und bringt immer wieder Wandteppiche aus dem Atelier mit nach Hause. „Wenn ich ein Fenster oder eine Tür öffne, bewegen sie sich leicht – als würden sie einen begrüßen. Sie gehören zum Raum.“

„Mein liebster Ort in unserer Wohnung ist wahrscheinlich das große Schlafzimmer mit bodentiefen Fenstern und einem riesigen Bett“, erzählt Maria. „Oft setze ich mich dort mit einem Buch hin oder schaue einfach nur der Straßenbahn oder dem Sonnenaufgang zu. Ich verbringe viel Zeit dort, aber meistens bin ich doch im Wohnzimmer mit meiner Familie. Die Kinder kommen mit all ihren Spielsachen herein – hier spielt sich unser Leben ab.“

Maria ist in Oslo geboren und aufgewachsen. „Ich bin definitiv ein Mensch, der gerne zu Hause ist. Angesichts der vielen Zeit, die wir hier verbringen, hätten wir auch raus aus der Stadt ziehen können. Aber ich mag das Gefühl, dass draußen immer etwas passiert, während wir hier sind. Es ist, als würden wir uns alle abwechseln, die Stadt mit Leben zu füllen – und genau das finde ich besonders. Auch wenn ich viel zu Hause bin, gibt es mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass Menschen draußen unterwegs sind, in Restaurants, Clubs oder Theatern. Es hält mich kulturell verbunden, als wäre ich trotzdem Teil von allem, was passiert. Diese Balance gefällt mir.“

"Es ist, als würden wir uns alle abwechseln, die Stadt mit Leben zu füllen – und genau das finde ich besonders."

„Ein perfekter Tag für mich beginnt mit einem Spaziergang von zu Hause aus, durch St. Hanshaugen – das sich fast wie ein kleines Dorf anfühlt –, weiter durch den Park und entlang der Reihenhäuser in Fredensborg. Von dort geht es ins Herz der Stadt, wo mein Atelier mitten im Trubel und der Energie des urbanen Lebens liegt. Dieser Spaziergang gibt meinem Tag die richtige Richtung. Nach einer produktiven Session im Studio würde ich dann einen anderen Weg nach Hause nehmen – vom lebhaften Stadtzentrum zurück in ruhigere Gefilde. Dieser Übergang fühlt sich immer wie eine sanfte Rückkehr an.“

Marias Verbindung zum Ekstrem reicht bis in ihre Kindheit zurück, als sie Zeit auf dem Bauernhof ihrer Großmutter in Norwegen verbrachte – die einen solchen Stuhl besaß. „Ich kann mich eigentlich an kein Leben ohne ihn erinnern“, sagt sie schmunzelnd und denkt daran, wie sie als Kinder darauf geklettert und damit gespielt haben. „Er ist einerseits ein ergonomisches Meisterwerk, das unterschiedliche Sitzpositionen ermöglicht, und gleichzeitig ein skulpturales Designobjekt, das dennoch nicht viel Raum einnimmt. Er wirkt nicht laut in einem Zimmer. Es ist lustig – obwohl er so auffällig ist, fühlt er sich irgendwie vertraut an. Sobald ich mich hinsetze, komme ich zur Ruhe. Er gibt großartigen Halt – es ist fast so, als würde er mich umarmen.“

„Ich bin wirklich froh, diesen Stuhl zu Hause zu haben, sowohl für mich als auch für meine Kinder. Und es ist spannend zu beobachten: Sobald Gäste da sind, zieht er alle magisch an – egal ob jung oder alt. Meine Großmutter genauso wie ein Einjähriger, sie alle wollen darin sitzen. Und man kann ihn sogar gemeinsam nutzen – ein Kind auf der Armlehne, ein anderes auf der Kante. Er lädt zum Zusammensein ein, fast wie ein Lagerfeuer – und genau das liebe ich an ihm.“